Amenophis III. = IV. Echnaton. Neues Licht auf Amarna und den Aton-Kult
von Heribert Illig
(Vorab-Version des Zeitensprünge-Artikels aus Nr. 3/2014 (Dezember), eingestellt am 28.08.2014)
Echnaton und Amarna – diese Begriffe finden unverändert Aufmerksamkeit, zumal sie immer neue, ungelöste Rätsel bescheren. Seit die zugehörigen Mumien DNA-Analysen zugänglich sind, steigen die Erwartungen. Es ist an der Zeit, innezuhalten und an den aktuellen Werken zum Thema – von Michael Habicht, Franz Maciejewski, Nicholas Reeves und Hermann Schlögl – zu prüfen, welches Wissen als gesichert gelten kann. Als Prüfkriterium wird eine These verwendet, wie sie bislang nicht existiert hat.
Unter den Ramessiden wurden sämtliche Amarna-Pharaonen gestrichen – „Zeit, «die es nie gegeben hat»“ [Schlögl 2008, 104] – in diesem Beitrag wird versucht, dieser Zeit wieder Realität zu geben, diesmal, indem zwei ihrer Pharaonen miteinander verschmolzen werden.
Die Identität von Amenophis III. und Amenophis IV.
Dafür wird hier erstmals die These formuliert: Echnaton ist nicht der Sohn von Amenophis III., er ist Amenophis III. selbst, der nicht nach dem 38. Reg.jahr stirbt, sondern nunmehr seinem Aton-Glauben Raum gibt und deshalb unter seinem neuen Aton-Namen regiert. Um diese These zu bekräftigen, werden zunächst die Wurzeln des Aton-Kults gezeigt, dann ein Hinweis auf den Charakter der neuen Religion gegeben, das Zusammenspiel beider Lebenszeiten untersucht und eine Chronologie unter Berücksichtigung einer möglichen Koregenz erstellt. Weiter werden Pro und Kontra der These erörtert.
Aton-Kult
Je stärker die religiöse Revolution betont wird, desto widersprüchlicher werden die Interpretationen: Ging es um Monotheismus, um Monolatrie, um den ersten Gottesstaat? Dazu einige Eckpunkte:
11. Dyn., Mentuhotep II.: Erstmals tritt „der Name Aton für die Bezeichnung der Sonnenscheibe als Gottheit und als Erscheinungsform des Re auf. Insofern wurde die Sonnenscheibe in ihrer Eigenschaft als Himmelskörper und in Gleichsetzung mit Re als „Thron des Re“ verstanden. Es folgten weitere Beinamen des Re, die den Sonnengott mit der Sonnenscheibe vergleichen: Re, „der in seiner Scheibe ist“. [Schlögl 2008, 27]
12. Dyn., Amenemhet I.: In der Geschichte des Sinuhe vereinigt sich der Pharao mit seinem Schöpfer Aton [Selket].
13. Dyn., Hor: Königsstele; „ihm gehört, was Aton umkreist“ [Selket]. Hier dürfte nicht von einem prädynastischen König die Rede sein (Nu-Hor oder Iri-Hor), sondern von einem Hor aus der 13. Dyn.
18. Dyn., Ahmose: Auf einer Stele wird der Pharao mit Aton verglichen [Selket].
Amenophis I. vereinigt sich im Tod mit Aton [Selket].
Thutmosis III. lässt Gedenkskarabäen fertigen, auf denen er Fremdländer besiegt, „um sie zu Aton zu führen in Ewigkeit“ [Selket] oder auf denen Ausländer „für immer Untertanen der Herrschaft des Atons“ bleiben [Reeves, 56].
Amenophis III. baut in Heliopolis den ersten Tempel für Aton und setzt Priester ein. Nach Verlegung der Hauptstadt von Memphis nach Malkatta (Theben-West) nennt er seinen Palast „Glanz des Aton“, später auch Per-Hay, „Haus der Frohlockung“ (wie später Echnaton den großen Tempel von Amarna). Auch die Barke für seine Gemahlin Teje benennt er „Glanz des Aton“. Er selbst schmückt sich mit dem Beinamen Aton-Tjehen „Leuchtender Aton“ [Selket].
Amenophis IV. = Echnaton verwendet den Gottesnamen Aton ab seinem 5. Reg.jahr. Neu bei ihm ist, dass die anderen Gottheiten weit zurücktreten müssen, doch ihr gänzlicher Ausschluss ist heute nicht mehr zu halten. Er lässt aber auch den Gottesnamen in Kartuschen schreiben, als wäre der Gott zugleich Pharao.
Nach heutiger ägyptologischer Sicht wurde Aton nur von Echnaton und Nofretete verehrt; das Volk verehrte das Königspaar [Ernst 2005, 515]. Weitere Mittler zwischen Gott und Volk gab es nicht, da die Aton-Priester nur unterstützende Funktion hatten [Selket]. Es werden Formulierungen gebraucht, die fast christlich anmuten wie: „In seinen Namen Re, der Vater, der gekommen ist als Aton“ [Selket].
Die Lebensalter von Amenophis III. und IV. (= Echnaton)
Beide Pharaonen kamen sehr früh, vielleicht noch als Kind an die Regierung. Das wirft Probleme auf, die nicht immer beachtet werden.
Da Amenophis III. kein Revoluzzer ist, stört es weniger, dass er bei Tod des Vaters, Thutmosis III., erst „etwa acht Jahre alt“ ist [M.1: 135; Aldred, 46] oder 12 Jahre [Schlögl 2008, 8], laut engl. Wikipedia zwischen sechs und zwölf Jahren. Deshalb wird auch die Hochzeit mit Teje bei Regierungsantritt [M.1: 101] nicht hinterfragt. Dabei war seine Gattin „wahrscheinlich nicht mehr als zwei oder drei Jahre alt“ [Aldred lt. M.1: 101], vielleicht wurde sie bereits im zweiten Lebensjahr gefreit [Schneider, 62]. Velikovsky [71] hat darauf hingewiesen, Karl Abraham habe 1912 ein Alter von zehn Jahren aus einer – falsch zugewiesenen – Mumie Amenophis’ III. abgeleitet; seitdem werde dieses Alter verfochten.
Cyril Aldred kalkuliert das Alter Amenophis’ III. so: Sein Vater kam selbst bereits im Alter von 15 oder 16 Jahren auf den Thron. Vorher konnte er noch kein Harem haben; regiert hat er aber nur 9 Jahre. Der Mumie Amenophis’ III. wird eine Lebenszeit „von etwa 50 Jahren“ attestiert [Habicht 2012, 24], woraus sich ein Krönungsalter von 13 Jahren ableiten ließe. Die verschiedenen Mutmaßungen zusammengefasst, war der frisch Inthronisierte zwischen 6 und 13 Jahre alt, seine Frau kaum den Windeln entwachsen
So war er in den Anfangsjahren wohl nicht selbst in der Lage, Kriegszüge zu befehligen oder kluge Diplomatie zu treiben, auch nicht als der große Bauherr hervorzutreten, der er war (nur von Ramses II. übertroffen). Er scheint also gute Berater gehabt zu haben, vielleicht auch in Gestalt seiner Mutter Mutemwia. Sie ist unbekannter Herkunft und den Königinnen Nefertari und Iaret nachrangig, gewinnt aber nach dem Tod Thutmosis III. als Pharaos Mutter an Macht und Einfluss [Tyldesley, 114].
Echnatons Krönungsalter ist für die Amarna-Problematik ungleich wichtiger. Auch bei ihm ist es vage, zumal man ihm abwechselnd eine Mumie zuschreibt oder abspricht. Für Maciejewski [1: 62] ist er nicht einmal 30 Jahre alt geworden, woraus sich ein Krönungsalter von höchstens 12 oder 13 Jahren errechnet, von ihm selbst präzisiert auf 10 Jahre [M.1: 196] oder relativiert auf „10 (vielleicht 12) Jahre“ [M.2: 19]. Laut Gabolde war er bei der Thronbesteigung „höchstens 9 oder 10 Jahre alt“ [M.1: 80]. Oder noch jünger: „Acht Jahre lang lebte Amenophis als Kronprinz in Malkatta […] und blieb trotzdem ein nobody“ [M.1: 200]. Das schließt man auch daraus, dass er bei keinem der drei Sed-Feste seines Vaters (im 30., 34. und 37. Reg.jahr) in Erscheinung trat [M.1: 201 f.].
Letztlich sind auch diese Altersangaben an einer ihm zugeschriebenen Mumie gewonnen. Orientiert man sich an einer anderen Mumie, dann wäre er um die 60 Jahre alt geworden [M.1: 80], weshalb diese Mumie lieber Aja zugewiesen wird. Thomas Schneider [66-71] schweigt über das Krönungsalter, wie er ihm auch keine Mumie zuordnet. Im zugehörigen Wikipedia-Artikel ist hingegen von einem geschätzten „Alter von 18 bis 22 Jahren“ die Rede. Es leitet sich ab von Habicht [2011, 34] und somit erneut von einer Mumien-Untersuchung. Schlögl [2008, 117] hat die 18 Jahre vielleicht vorgegeben. Pauschal gerechnet hätte Echnaton den Thron zwischen 8. und 22. Jahr bestiegen. Das ist eine enorme und entscheidende Diskrepanz, lässt sich doch eine Religionsrevolution nicht von einem 13-Jährigen, möglicherweise aber von einem 22-Jährigen erwarten. Allerdings landet die Forschung hier in einer Zwickmühle: Je älter der Revolutionär bei der Thronbesteigung ist, desto länger würde die Zeit, die er ohne erkennbares Lebenszeichen [M.1: 198] in seiner nicht lokalisierten ‘Isolierstation’ verbracht hätte; Velikovsky [55] sah sie gar „in der Fremde“.
Die eigentliche Revolution wird laut einer der Grenzstellen im vierten Monat des 5. Reg.jahres proklamiert, indem die fünf Namen Amenophis’ IV. auf Gott Aton umgestellt werden [M.1: 196, 321], kurz darauf der Plan für den Bau von Amarna (Achetaton) bekanntgegeben wird und dort die ersten der Grenzstelen errichtet werden. Das führt uns zur Frage einer gemeinsamen Regierungszeit von Vater und Sohn.
Koregenz
John Pendlebury († 1941) argumentierte für eine Koregenz von 11 Jahren für Amenophis III. und IV. Seine Argumente wurden von Wolfgang Helck, Erik Hornung und Marc Gabolde so widerlegt, dass dieses Thema ausgestanden schien [Schlögl 2008, 22]. Doch 1996 brach Raymond Johnson [Reeves, 88-90], eine neue Lanze für eine lange gemeinsame Regierung von Vater und Sohn, wobei er nicht von einer handlungslosen Zeit für den späteren Echnaton ausgeht, sondern dessen Regierungszeit bereits im 29., nicht erst im 38./39. Reg.jahr des Vaters beginnen lässt. Die Gründung von Amarna und der Namenswechsel hin zu Echnaton hätte bereits im 34. Reg.jahr stattgefunden [Reeves, 89 f.]. Das würde eine Kürzung der Gesamtregierungszeit beider Pharaonen um ca. 9 Jahre bedeuten. Reeves [90 f.] selbst plädiert für eine nur „kurze gemeinsame Regierungszeit“, die bei 2 Jahren zu liegen scheint. Die Begründungen laufen über Stilvergleich, nachdem es mit gemeinsamen Auftritten schlecht aussieht. Für Reeves ist nur eine
„Szene am dritten Pylon in Karnak mit der Darstellung einer größeren und einer kleineren Figur Amenophis’ III. und eines zweiten, ausgemeißelten Königs zu nennen. Es gab verschiedene Erklärungen für diese Figuren, doch aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir eine Darstellung des Seniorkönigs und seines Sohnes und Koregenten Amenophis IV. vor uns“ [Reeves, 89].
Dieses Argument ‘ex silentio’ hat nicht alle überzeugt. Maciejewski spricht 2010 abfällig von einer „Phantomdebatte von gestern“ [M.1: 200], sieht „ägyptologisches Phantasma“ oder erkennt allenfalls eine „Koregenz zwischen Gott und Pharao“ [M.1: 211]. Wenn der Kronprinz von drei Sed-Festen ausgeschlossen bleibt [M.1: 201 f.], dann ist das für den Psychoanalytiker Missachtung durch den Vater, der der Missbrauch durch die Mutter folgt [M.1: 203]. Für Velikovsky [1966, 54] war von vorn herein klar, dass sein Ansatz nur ohne Koregenz greift: Der junge Echnaton/Ödipus darf seinen Vater nicht kennen, dessen Ansehen er so früh wie möglich ausradieren möchte. Inzwischen haben andere darauf hingewiesen, dass nur der Namensbestandteil „Amun“ ausgemeißelt worden ist, nicht der gesamte Name Amenophis. Also doch kein Vatermord? Eine Meldung vom Februar dieses Jahres lässt aufhorchen: Im Grab des Wesirs Amenhotep-Juja gebe es Belege für eine mindestens achtjährige Koregenz (s.u.). Bekommt Echnaton dadurch eine ‘Regierungs-Vorlaufzeit’ von mindestens acht Jahren, wird Achet-Aton noch zu Lebzeiten von Amenophis III. gegründet? Das lässt sich vielleicht mit den Sed-Festen beantworten.
Sed-Feste
Einigermaßen rätselhaft ist das frühe Sed-Fest, das Echnaton bereits in seinem 4. Reg.jahr feiern lässt [M.1: 95], dient dieses Fest doch der Erneuerung der nachlassenden Kraft des Potentaten. Die meisten Pharaonen begingen es erst zum 30. Reg.jahr, genau so wie Amenophis III., der dann auch das 34. und 37. Jahr feierlich beging. Echnatons Fest scheint ein weiteres Glied in der Kette von Festen seines Vaters zu sein. Wenn man die Anfangsjahre Echnatons aber noch in der Regierungszeit seines Vaters unterbringen will, hätte Echnaton zwischen dem ersten und zweiten Sed-Fest seines Vaters das eigene gefeiert – ebenso unwahrscheinlich wie unlogisch. Andererseits beschäftigte sich Amenophis III. bereits mit der Durchführung seines vierten Sed-Fest [Reeves, 83]. Hat es Echnaton ihm zuliebe posthum begangen?
Will man das vierte Sed-Fest in Reihe mit den früheren bringen, dann fiele es in das 40. Reg.jahr Amenophis’ III. und in das 2. Echnatons. Will man hingegen die Entscheidung für den großen Aton-Kult im Jahr nach dem Tod Amenophis’ III. sehen, würde das vierte Sed-Fest in das 38. Reg.jahr und damit in sein Sterbejahr rücken.
Aus Sicht des Verfassers kann es keine Koregenz gegeben haben, weil ein Pharao nicht mit sich selbst regieren kann. Ein Ineinanderschieben beider Regierungszeiten ist dadurch aber nicht ausgeschlossen.
Wandernde Residenzen
Amenophis III. hat sich vor seinem ersten Sed-Fest von der Hauptstadt Memphis abgewendet und bei Theben auf dem Westufer seine Hauptresidenz erbaut, heute Malkatta oder Malqata genannt, damals Per-Haij. Bereits bei ihrer Gründung im 11. Reg.jahr hieß sie „Haus des Nebmaatre, Herrlichkeit des Aton“ [M.1: 199] respektive Thn-Jtn (Tjehen-Aton): „Glanz des Aton“ [LdÄ / Theben]. Das wird allerdings von Maciejewski nicht weiter gewichtet. Die Bauzeit wird vom 11. bis zum 29. Reg.jahr angesetzt [wiki / Malqata], was viel zu lang erscheint, lässt doch Echnaton sein Achet-Aton (Amarna) mit ungleich größeren Gebäudeensembles binnen dreier Jahre hochziehen. Er hat den ‘Startschuss’ in seinem 5. Reg.jahr gegeben; der Umzug erfolgte im 8. Reg.jahr.
Nach Echnatons Tod (im 17./18. Reg.jahr) und dem rätselhaften Intermezzo mit vielleicht Nofretete und Semenchkare als Herrschern wird im 2. Reg.jahr des ca. 9 Jahre alten Tutanchamun, also wohl auf Befehl seines Vormunds Aja, die Residenz nicht nach Theben, sondern nach Memphis zurückverlegt [M.2: 159]. Nun steht die Göttertrias Amun von Theben, Re-Harachte von Heliopolis und Ptah von Memphis in der Verehrung ganz oben [M.1: 266].
Herkömmliche Chronologie der Aton-Verehrung
(Reg.jahre für Amenophis III. links durchgezählt, rechts für Echnaton)
Manetho nennt für Amenophis III. 38 Jahre, 7 Monate; Krugaufschriften laufen bis zum Ende des Jahres 38. Er wird keine Koregenz mit seinem Vater Thutmosis IV. gesehen, da der noch jung überraschend stirbt, als der Kronprinz höchstens 10 Jahre alt ist. Die Angaben sind fast nie als unumstößliche Jahreszahlen zu werten; dazu variieren sie zu sehr innerhalb der Literatur. Eine von vielen Datierungen für das Absolutjahr der Thronbesteigung ist -1379 [M.1 passim; Schneider, 61-71; wiki / Amenophis III., IV.].
1 | Thronbesteigung mit 8 Jahren. | |
2 | Kinder-Heirat mit Teje (?); Baubeginn seines Grabes und von Tempeln, später großdimensionierte Plastik, darunter die größte altägyptische Statue mit 21 m und die Memnon-Kolosse mit 18 m Höhe. | |
5 | Sein einziger Feldzug ging gegen Kusch. | |
10 | Hochzeit mit der Mitanni-Prinzession Giluchepa. | |
11 | Anlage eines Sees für Teje (zugehörige Barke nach Aton benannt). | |
12-19 | Ohne Belege. | |
25 | Diplomatischer Briefwechsel mit Babylon beginnt vermutlich. | |
27 | Kronprinz Thutmosis stirbt. | |
29 | Umzug nach Malkatta, seinen Palast in Theben-West. | |
30 | 1. Sed-Fest; Beginn der eventuellen Koregenz. | |
31 | Ab da diplomatischer Verkehr mit zahlreichen Potentaten. | |
34 | 2. Sed-Fest. | |
35/36 | Geburt von Semenchkare. | |
36 | Pharao erbittet von Tuschratta das heilkräftige Ischtar-Bild v. Ninive, heiratet die Mitanni-Prinzessin Taduchepa. | |
37 | 3. Sed-Fest. | |
38/39 Tod Amenophis’ III. | ||
39 | 1 | Neuanfang als Echnaton; Geburt von Meritaton (später von Echnaton wie von Semenchkare geheiratet) [M.1: 97]. |
41 | 3 | Bau des großen Tempels Gempaaton in Karnak; Geburt von Maketaton. |
42 | 4 | Sed-Fest, auch als 4. und letztes gezählt. Hochzeit Echnaton – Nofretete [M.1: 97], Beginn der religiösen Umgestaltung; Amun-Hoherpriester abgesetzt und Aton-Herrschaft; Geburt von Anchesenpaaten. Bau des Tempels Hutbenben [Reeves, 111]. |
43 | 5 | Baubeginn von Achet-Aton (Amarna): Änderung der Königsnamen. |
44/45 | 6/7 | Geburt Anchesenpaaton [M.2: 91]; später mit Echnaton verheiratet |
46 | 8 | Umzug nach Achet-Aton; Geburt von Neferneferuaton Tascherit. |
47 | 9 | Die königliche Titulatur Atons wird verändert [M.2: 91]; Geburt von Tutanchaton [M.2: 102], Geburt von Neferneferure und Setepenre. |
50 | 12 | Tod seiner Mutter Mutemwia. Danach Hochzeit mit seiner Tochter Iset (Isis). Sechs Töchter belegt (auch Neferneferuaton-tascherit, Neferneferure, Setepenre). Tutanchamun geboren. Nofretete ändert ihren Namen und nimmt eine in Kartusche gesetzte Königstitulatur an [M.2: 112 f.]. |
51 | 13 | Wohl letztes Jahr von Teje; Tochter-Gemahlin Meritaton stirbt. |
52 | 14 | Drei Töchter sterben: Maketaton, Neferneferure, Setepenre [Schlögl 2008, 83] |
52 | 16 | Nofretete letztmalig genannt, könnte aber Echnaton überlebt haben. |
55 | 17 | Todesjahr Echnatons; bis hier läuft die diplomatische Korrespondenz. |
Die Identitätssetzung ergäbe maximal 55 Reg.jahre für Amenophis III.=IV. und ein Lebensalter von ca. 63 Jahren, das nicht ungewöhnlich wäre. Zum Vergleich: Sein Nachfolger Aja war wohl bereits 54 Jahre alt, als er zum Pharao erhoben worden ist, auf alle Fälle galt er als betagt. Und vier Regenten nach ihm verweilte Ramses II. allein 64 Jahre auf dem Thron.
Der Urheber des Aton-Kultes
Oben sind wir Amenophis III. begegnet, der bereits den Aton-Kult forciert. Das lässt sich jetzt präzisieren:
Bei diesem Tatbestand kann Echnaton nicht mehr als ‘Erfinder’ der Aton-Verehrung gesehen werden. Im Gegenteil: Er betont sogar die Rolle seines Vaters:„Amenophis III. setzte die Propaganda für den Sonnenglauben, die schon sein Vater [Thutmosis III.] betrieben hatte (Sphinx-Stele, Aton-Skarabäus) unvermindert fort. Schon im Jahr 11 seiner Regierung taucht der Name der »Strahlenden Sonnenscheibe (Aton)« auf, als Name der königlichen Barke, mit der der König den (für Teje errichteten) See befahren hat. Am Ende seiner Regierung, im Palast von Malqata, wird diese solare Formel, die längst zum bevorzugten Beinamen Amenophis III. avanciert ist, in Gestalt einer Rebusschreibung seines Thronnamens Nebmaatre wieder auftauchen und sich vollenden. Die Figur des Königs (neb) trägt eine Feder (maat) in der Hand und eine Scheibe (re) auf dem Kopf; so besetzt sie in der mythischen Sonnenbarke den Platz der Sonne selbst: »Nebmaatre ist die strahlende Sonnenscheibe«. Die Vereinigung mit Aton, die Amenophis [III.] noch zu Lebzeiten voll zieht, ist beispiellos“ [M.1: 175].
„Wie Reeves gesehen hat, vollzieht Amenophis IV. das Sedfest in Karnak in Vertretung seines verstorbenen Vaters, das damit seine wahre Natur offenbart: Es ist das vierte und abschließende Jubiläumsfest der »strahlenden Sonne«. Aton und Amenophis III. sind ein und derselbe geworden […] er huldigt […] der väterlichen Allmacht“ [M.1: 205 f.].
Und das in seinem 4. Reg.jahr, in dem er je nach Rechnung zwischen 12 und 26 Jahre alt war. So lässt sich klar sagen, dass der Kult nicht auf einen sehr jungen Echnaton, sondern viel eher auf seinen im 5. Lebensjahrzehnt stehenden Vater zurückgeht, der sich zuletzt „die blendende Sonne“ nannte [M.1, 85]. Der konnte ihn nach seinen gereiften Vorstellungen ausbauen, buchstäblich ausbauen. Im 41. Reg.jahr lässt er den riesigen Aton-Tempel in Karnak errichten (der bald nach seinem Tod restlos abgeräumt worden ist) und gründet im 43. Reg.jahr seine neue Hauptstadt Achetaton (Eine Verkürzung der Gesamtregierungszeit wäre hier unproblematisch.) Auf den frühen Grenzstelen wird das Bauprogramm für sie präzise umrissen:
- der Große Aton-Tempel für seinen Vater Aton,
- der Kleine Aton-Tempel für seinen Vater Aton,
- auf der Insel des Aton das Haus des Jubelns in Achet-Aton für seinen Vater Aton,
- der Palast für ihn selbst und die Große königliche Gemahlin,
- Grabkapellen für den Obersten der Propheten, für die Gottesväter Atons in dem Berg im Osten von Achet-Aton [R. 133].
Das wäre für einen Knaben oder jungen Mann erstaunlich, der hier zugleich seinen Vater, wesenseins mit Aton, verherrlicht, denselben Vater, dessen Namen er anschließend hundertfach beschädigt, indem er die Hieroglyphen für Amun herausmeißeln lässt. Eine nicht mehr verifizierbare Quelle hat betont, dass der Aton-Glaube des alten Amenophis III. stärker war als der des jungen Amenophis IV.! Dem allen ist am ehesten dadurch Rechnung zu tragen, dass Amenophis IV. und Echnaton ein und dieselbe Person sind.
Maciejewski betonte, dass der Kronprinz nicht nur bei keinem der Sed-Feste anwesend war, sondern überhaupt nie zusammen mit seinem Vater abgebildet wurde. Velikovsky fiel zusätzlich auf, dass sich Amenophis III. mit Frau und/oder Töchtern abbilden lässt, aber nie mit einem Sohn. Er vermisst sogar jegliches Lebenszeichen.
„In dem Grabe von Juja und Tuja, den Eltern der Königin Teje, befanden sich Totengaben des Königs, der Königin und ihrer Töchter, aber keine von Echnaton“ [Velikovsky, 52 unter Bezug auf T. Davis]
Bei Maciejewski [1: 199] findet sich eine dürre Spur, ein Siegelabdruck: „er trägt die Aufschrift: «Domäne des wirklichen Königssohns Amenophis».“
Einwände
Für die hier vertretene These wären nur Geschwister von Amenophis III. ein Problem, wenn sie etwa das Bett mit Echnaton geteilt hätten. Das aber ist nicht der Fall: Seine sechs Geschwister sind nicht in die vielfältigen, generationenübergreifenden Beziehungen verstrickt. Solches gilt nur für Amenophis’ III. Tochter Satamun (Sitamun), die der Vater selbst heiratet, die aber auch von Echnaton geheiratet worden sein soll, da sie die Erbprinzessin war und als solche die Königswürde weitergab.
Was ist eigentlich über den Tod Amenophis’ III. bekannt? Die Schilderung klingt eindeutig: „Die Residenz war in Schweigen. Der Hofstaat saß, den Kopf auf den Knien, das Volk klagte“ [M.1: 169]. Wäre es so gewesen, müsste der Verfasser ebenfalls dialektisch argumentieren, um die Gleichsetzungsthese zu retten. Allerdings bezieht sich Maciejewski hier auf das Kapitel „Das Begräbnis Amenophis’ III.“ von Reeves [91 f.], der dort sofort einräumt, „das klagende Volk“ stamme aus einem Text des Mittleren Reiches. Gerade weil nichts von Tod und Begräbnis Amenophis’ III. bekannt ist, imaginiert Reeves [91] „ein ehrfurchtsgebietendes Schauspiel mit Vertretern aus jedem Winkel der damals bekannten Welt in reicher und farbenprächtiger Aufmachung“. Derartige Phantasiegebilde werden hiermit entbehrlich.
Bestattung: Es darf natürlich nur eine Mumie des ‘Doppelpharaos’ geben. Trotzdem sind zwei Mumien im Gespräch. Es gibt eine Mumie, die Amenophis III. zugeschrieben wird:
„In der 21. Dynastie wurde die Mumie neu in Binden eingewickelt, nachdem sie von Grabräubern beschädigt worden war, und im Grab seines Großvaters Amenophis II. (KV35) wieder bestattet. Die Zuordnung ist jedoch zweifelhaft, da sie im Sarg eines Ramses lag, bedeckt mit dem Sargdeckel des Sethos II.“ [wiki / Amenophis III.].
Für Echnaton gilt heute überwiegend die Mumie aus KV 55 als die seine – je nach Untersuchungsergebnis. So ist der Leiche abwechselnd ein Alter von rund 25, dann höchstens 23, dann 35 oder auch mal 60 Jahren attestiert worden [Reeves, 96, 98] – eine Zahl passt auf jeden Fall für Echnaton. Christian Loeben entschied sich trotz der 60 Jahre für Echnaton [Seynsche].
Nach der hier vertretenen Meinung ist Amenophis III. nicht im Tal der Könige beigesetzt worden, sondern als Echnaton in seinem Grab in Amarna, aus dem seine Mumie dann doch nach Theben gebracht wurde, um heute mal existent, mal inexistent zu sein.
Teje dürfte im Königsgrab von Amarna bestattet worden sein; ihre Mumie wurde dann weiter nach KV 55 und ins KV 35 verbracht. Die hier gefundene „Elder lady“ wird derzeit von vielen als ihre Mumie gesehen, die „Younger Lady“ aus dem gleichen Grab als die der Nofretete. Aber die Bestimmung der Mumien und ihrer Verwandtschaftsverhältnisse ist noch nicht abgeschlossen, sind doch die Ergebnisse ebenso widersprüchlich wie die Interessenlagen unter den Ägyptologen.
Für die anstehende Diskussion wirkt es zunächst so, als ob weder der ‘verblichene’ König nach seinem Tod noch der Kronprinz vor seiner Thronbesteigung biographische Spuren hinterlassen haben. Das ist Voraussetzung für die hier vertretene These. Aber bei ihr darf es auch keine gemeinsame Abbildung geben, konnte doch der Pharao nicht zeitgleich als sein Kronprinz auftreten. Es gibt vier mögliche Widersprüche.
Dritter Pylon von Karnak
An diesem Bauwerk ist Amenophis III. zweimal dargestellt, begleitet von einem leider ausgemeißelten König.
„Es gab verschiedenartige Erklärungen für diese Figuren, doch aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir eine Darstellung des Seniorkönigs und seines Sohnes und Koregenten Amenophis IV. vor uns“ [Reeves, 89].
Der Sachverhalt dürfte nur für Verteidiger einer Koregenz so eindeutig sein.
Grab des Huja
In dem Amarna-Grab für Tejes Kämmerer ist auf einem Türsturz die berühmte doppelte Familienszene abgebildet: Unter Atons Sonnenhänden sehen wir einmal Echnaton und Nofretete mit vier Töchtern, einmal Amenophis III. mit Teje und Tochter, wenn man die Inschrift ernst nimmt, wobei allerdings die Schreibweise des Wortes Nebmaatre (für Amenophis III.) problematisch ist [M.1: 107].
„Was kann es bedeuten, König Amenophis III. auf einem Bild aus dem 12. oder 13. Regentschaftsjahr seines Sohnes in Amarna unter der Atonscheibe dargestellt zu sehen? Zwei unterschiedliche Ansätze sind in der Forschung diskutiert worden“ [M.1: 108].
Das wurde als Hinweis auf eine ebenso lange Koregenz zwischen beiden Herrschern interpretiert, doch sie ist bei einer Länge von 13 Jahren unhaltbar. Andere sahen hier eine pietätsvolle Geste Echnatons gegenüber seinem längst gestorbenen Vater. Doch Pendlebury hat bereits 1935 darauf hingewiesen, dass die Strahlenhände auch Amenophis III. das Henkelkreuz als Lebenssymbol vor den Mund halten [M.1: 108]. Demnach leben zu diesem Zeitpunkt beide Pharaonen. Da dies nicht sein darf, helfen nur logische Spitzfindigkeiten weiter. Für Velikovsky [105] sollte die Darstellung von Amenophis III. trotz der Beschriftung die von Echnaton sein. Maciejewski quälte sich länger:
„Wenn es sich bei dem König auf der rechten Bildhälfte des Reliefs weder um den herrschenden noch um den verstorbenen Amenophis III. handeln kann, dann müssen wir zur Sicherheit des ersten Blicks zurückkehren und in ihm Echnaton (an)erkennen – Echnaton, der im Namen des Vaters erschienen ist? Dialektisches Denken ist gefragt. Anstatt das Rätsel mit dem Nimbus des Unlösbaren zu umgeben, müssen wir die Gegensätze zur Aufhebung des Widerspruchs nutzen. Die Imago des Vaters wird von Bild und Text sehr wohl evoziert. Aber anders, als es die Vertreter der Mitregentschaftsthese wahrhaben wollten, scheint Echnaton (wie der Eingangstext der Inschrift andeutet) den Gottkönig Aton als seinen Vater anzurufen. Erinnern wir an den Gleichklang des Aton-Namens (Jati) mit dem ägyptischen Wort für mein Vater (jat-i). Es ist sein göttlicher Vater, mit dem Echnaton eine Koregentschaft inszeniert. Im Namen Atons ist er erschienen, um die Stelle seines leiblichen Vaters Amenophis einzunehmen. An der Seite von Teje ist der Sohn des Aton der wiedergekehrte Nebmaatre, so wie dieser sich schon zu seinen Lebzeiten als »Strahlende Sonnenscheibe« vergöttlichen ließ. Als Revenant des Vaters ist ihm Königin Teje freilich nicht länger Mutter, sondern Gemahlin, mit der er eine eigene zweite Familie gegründet hat“ [M.1: 108 f.; Hvhg. HI].
Dialektik in allen Ehren, aber bevor der tote Amenophis III. als wiedergekehrter Nebmaatre (sein Thronname), als lebender Wiedergänger (Revenant) seiner selbst auftreten muss, der nun Teje nicht als Mutter, sondern als Gattin präsentiert, greifen wir zur einfachen und sinnstiftenden These: Amenophis III. alias Echnaton lebt und ist zunächst mit Teje und ab Amarna auch mit Nofretete verheiratet; beide Familien werden mit den jeweiligen Kindern gezeigt! Maciejewski fährt unmittelbar fort, eine weitere Inschrift aus dem Grab des Huja heranziehend:
„»Die Erbprinzessin, sie steht hoch in der Gunst, eine Frau von Anmut, süß in ihrer Liebe, die den Palast mit ihrer Schönheit erfüllt, Herrin des Südens und des Nordens, die Große Gemahlin des Königs, die er liebt, die Herrin der beiden Länder, Teje.«
Dieses Hohelied der Liebe hat Theodore M. Davis, dem Ausgräber von KV 55 (der dieses Grab anfänglich Königin Teje zuordnete), einst einen gehörigen Schrecken eingejagt: Klingt die Passage, von der »Großen Gemahlin des Königs, die er liebt« nicht ganz so, fragte er sich, als würde Tejes Ehemann [also Amenophis III.; HI] noch leben? Zu der schockierenden Antwort (Ja, in der Person ihres Sohnes!) hat freilich auch er nicht gefunden“ [M.1: 109; Hvhg. HI].
Maciejewskis Antwort ist zweifellos ‘sophisticated’ – aber die eigentliche Lösung ist nicht schockierend, sondern allenfalls schockierend einfach: Amenophis III. alias Echnaton lebt und dies nicht im Mutter-Sohn-Inzest. Schließlich führt er seit Jahrzehnten den Titel „Strahlende Sonnenscheibe“.
Maciejewski [ebd.] sieht die Vergottung „als Menetekel des Größenwahns eines Despoten“, aber viele spätere Regenten ahmten das unbekümmert nach; selbst die nüchternen Römer kannten den zur Gottheit erhobenen lebenden Kaiser; ein viel später lebender „roi soleil“ namens Louis XIV hätte das wohl auch gerne so gehabt, wenn er sich damit nicht die Rolle Christi angemaßt hätte.
Velikovsky verweist – im selben Huya-Grab – noch auf eine Teje verherrlichende Inschrift, die ‘Altmeister’ Maspero († 1916) zu der Äußerung veranlasste: „Genau so, als ob ihr Gemahl noch am Leben wäre“ [Velikovsky, 105].
Fazit: Die schon früher existente Gottesform Aton wird von Amenophis III. zum Kult entwickelt; als Echnaton führt er ihn zur vollen Höhe! Nicht zuletzt wird Aton zum Pharao, werden doch seine Namen in Kartuschen geschrieben. „Der Aton-Kult wurde zum Kult des Königtums schlechthin“ [Reeves, 117].
Grab des Cheriuf
Schlögl [2008, 22] bringt als Argument gegen eine Koregenz das Grab in Theben-West des Oberschatzmeisters Cheriuf, der zwei Sed-Feste für Amenophis III. ausgerichtet hat. Dort kann man auch verfolgen, wie akribisch Ägyptologen jeden möglichen Hinweis ans Licht bringen.
„Wendet man sich noch einmal dem Grabeingang zu, so stößt man dort auf eine faszinierende Szene, die jedoch stark beschädigt ist. Aus der südlichen Wand […] wurde vieles herausgehackt, der Rest ist mit einer dicken Schicht aus Ruß und Schmutz bedeckt. Die Szene war so stark beschädigt, dass niemand sie bis zu den 1950-Jahren für interessant hielt. Als die Fachleute für Epigraphik der Universität Chicago mit der Erfassung der Dekoration in TT192 begannen, verbrachten die Künstler und Epigraphen im wahrsten Sinne des Wortes Hunderte von Stunden damit, die verbliebenen Spuren auf der Wand zu betrachten. Nur Bruchstücke des ursprünglichen Reliefs waren zu sehen, aber durch unterschiedliche Beleuchtung und mit einer Mischung aus Kryptographie und Ägyptologie gelang es dem Team schließlich, das Original zu rekonstruieren. Im Jahr 1980 erstellte es zwei Zeichnungen. Eine nur mit den Elementen, die auf der Wand zu sehen waren, eine andere mit den Elementen, die man rekonstruieren konnte. Der aufschlussreiche Unterschied ist der Geduld und dem Geschick des Teams zu verdanken. In dieser Szene zollt Amenophis IV. dem Gott Re-Harachte Tribut. Vor dem König ist eine große Menge an Opfergaben“ [Weeks, 452].
Trotz der Anstrengungen für die Rückgewinnung einer Kultur steht das Grab gegen eine Koregenz:
„So belegt etwa das Grab des hohen Beamten Cheriuf, dass sich die ersten Regierungsjahre Amenophis’ IV. an die letzten seines Vaters anschlossen und nicht parallel mit ihnen verliefen: Es wird das 36. Regierungsjahr Amenophis’ III. genannt, während an anderer Stelle im gleichen Grab Amenophis IV. zusammen mit seiner Mutter Teje vor verschiedenen Gottheiten dargestellt erscheint. Wäre Amenophis IV. zu dieser Zeit der Mitregent seines Vaters gewesen, dürfte man sein Bildnis an prominenterer Stelle in der Nähe seines Vaters erwarten. Auch eine Weinlieferung aus dem 37. Regierungsjahr nennt keinen Mitregenten. Schließlich erwähnt eine mit Tinte aufgeschriebene Notiz zu einem hieratisch geschriebenen Amarnabrief (EA 27) das 2. Regierungsjahr Amenophis’ IV., ohne einen Mitregenten zu nennen. Eine Doppelherrschaft der beiden Könige kann also nicht länger angenommen werden“ [Schlögl 2008, 22 f.].
Jahrzehnte vor Dechiffrierung der Reliefszene wurde das Grab so eingeschätzt:
„Dieser Cheriuf hat die erste Regierungszeit Amenophis’ III. noch erlebt – aber offenbar folgte er nicht dem Reformator und sein unvollendetes Grab fiel der Verfolgung anheim“ [Kees 1953, 43].
Grab des Amenhotep-Huja
Auch dieser Wesir, also hoher Beamter, ließ sich ein adäquates Grab in Theben-West bereiten, das in dem Gebiet El Asasif gefunden worden ist. Der heutige Minister für Altertümer, Mohammed Ibrahim, publizierte einen Befund aus diesem Grab:
„Im Februar 2014 sprach das ägyptische Ministerium für Altertümer von einer »konklusiven Evidenz« dafür, dass Echnaton seine Macht mindestens 8 Jahre mit seinem Vater geteilt hat; die Evidenz leitet sich vom Grab des Wesirs Amenhotep-Huja ab. Es wird von einem multinationalen Team studiert, geführt durch das Instituto de Estudios del Antiguo Egipto de Madrid und Dr. Martin Valentin“ [engl.wiki / Amenhotep III; Übers. HI].
Hier sind Stuck-Kartuschen im Zusammenhang mit dem ersten Sed-Fest gefunden worden, die einst an Säulen befestigt waren. Sie standen nicht direkt nebeneinander; den Kommentaren nach handelt es sich um die frühe Form der Titulatur Echnatons („referring to Akhenaten by his early title“ [AFP]. Das nimmt Wunder, denn zu dieser Zeit müsste noch der Amun-Name erwartet werden. Hier werden noch weitere Informationen benötigt. Bis dahin widersprechen sich die Texte aus den Gräbern von Cheriuf und Amenhotep-Huja.
Weitere Argumente
Generell müssen Bilder eines jungen Königs Amenophis IV. nicht gegen Amenophis III. = Echnaton sprechen. So bemerkt Maciejewski [2: 87 f.]:
„Nach der Lehre der neuen Sonnenreligion trat das Königspaar als verjüngtes Götterkinder-Paar des Aton in Erscheinung, wobei ihr Verhältnis untereinander von Parität geprägt war und Aton den Status eines androgynen Lebensgottes anfänglich beibehielt.“
Vom Verfasser ist wiederholt kritisiert worden, dass Echnaton nur Granitarbeiten über eine Größe von 40 bis 50 cm Höhe in Auftrag gab, während für Amenophis III. vier, fünf Meter lange oder hohe Plastiken, dazu Obelisken aus Hartgestein ‘normal’ sind [etwa Illig 1998]. Das ließ sich dadurch motivieren, dass der mittlerweile ca. 45 Jahre alte Amenophis so schnell wie möglich sein neues Achetaton errichten will und deshalb keine Zeit mit langwieriger Granitbearbeitung verlieren will. Nur sein Sarkophag wäre aus Granit herausgehämmert worden, nun wirklich für die Ewigkeit gedacht.
Doch mittlerweile sind Fragmente von zahlreichen Kolossalstatuen aus Granit bekannt [vgl. Schlögl 2012, 59, 88]. 2012 ist in der Berliner Amarna-Ausstellung ein granitener Kopf der Nofretete gezeigt worden, der mit seinen 23 cm Höhe Teil einer lebensgroßen Gruppe zusammen mit Echnaton gewesen sein soll [Bartetzko]. Demnach hätten die Aton-Feinde sich primär auf die für die Ewigkeit gemachten Zeugnisse gestürzt. In seinen späten Jahren ließ sich Amenophis III. lebensnah abbilden, ein Naturalismus, den er als sein eigener ‘Nachfolger’ nicht sofort, sondern erst in Amarnas Spätphase auf die Spitze getrieben hat.
Es gibt auch einen neuen Mumienbefund, der sich bislang nicht ins System einfügen will:
„Bei der Mumie aus KV55 handelt es sich um ein männliches Skelett. Die Mumienbänder, mit denen sie umwickelt war, trugen den Namen Echnatons (Arthur Weigall). Das Gesicht der Mumienmaske war stark zerstört, und die Kartusche auf dem Brustschmuck war leider herausgeschnitten.
Die physische Ähnlichkeit von Körper und Schädel mit Tutanchamun und die identische Blutgruppe ließen vermuten, dass es sich hier um die sterblichen Überreste des Echnaton handelt.
Eine Tatsache spricht jedoch dagegen: Untersuchungen von Pathologen haben ergeben, dass hier das Skelett eines 20- bis 25-jährigen Mannes gefunden wurde. Da Echnaton bei seinem Tode sicherlich älter war, bliebe nur einer übrig: Semenchkare. Aber auch diese Aussage ist wieder umstritten, denn nach den jüngsten Meldungen des ägyptischen Antikendienstes soll es sich jetzt um einen etwa 60-jährigen Mann handeln, wie jüngste CT-Untersuchungen ergeben hätten [wiki Semenchkare, unter Bezug auf Zahi Hawass, o.J.].
Damit wäre klargestellt, dass Echnaton um die 60 Jahre alt geworden ist. Das aber ist nur möglich, wenn er mit Amenophis III. identisch ist. Aber dieses Ergebnis soll nicht überschätzt, sondern als Zwischenwert gewichtet werden.
Auswirkungen
Nachdem mögliche Einwände gegen die These behandelt worden sind, interessiert natürlich, was sich durch sie für unser Geschichtsverständnis ändert.
Zunächst wird die Durchführung des Sed-Fests Echnatons plausibel gemacht, denn Gedenkveranstaltungen für einen Verstorbenen wirken nicht ‘ägyptisch’.
Weiter wäre der wachsende Aton-Glaube Amenophis’ III. erklärt, der bislang nicht zur Amarna-Entstehung passen wollte.
Sehr gut passt nun der Umstand, dass Amenophis III. nach Ramses II. als zweitgrößter Bauherr des alten Ägyptens gilt; er hätte als 46-Jähriger, dem weiterhin keine Kriege ins Haus stehen, durchaus im Vollbesitz seiner Kräfte einfach weitere Bauprojekte in Angriff genommen und den bereits vorhandenen Handwerkern einen neuen Stil abverlangt. Ihm ist auch zuzutrauen, dass er seine Residenz ein weiteres Mal verlagert, diesmal von Malkatta nach Amarna.
„Eigentlich war Achetaton keine Hauptstadt im modernen Sinn wie Memphis oder Theben, sondern im Wesentlichen königliche Residenz und religiöses Zentrum. Sie ist eher mit Amenhotep III.’s neuer Stadtgründung Tjehen-Aton (»Glanz des Aton«) in Westtheben vergleichbar. Beide besaßen einen als Per Hai (»Haus des Jubels«) bezeichneten offiziellen Zentralbezirk mit Tempeln und Palästen, in denen königliche Gedenkfeste (Heb-Sed) abgehalten wurden, und weitere spezielle Bauten, wie die für Vergnügungszwecke angelegten Komplexe Maru-Amun und Maru-Aton“ [wiki / Amarna].
Dieser Ähnlichkeit entspräche die Ähnlichkeit beider ‘Hälften’ einer Person.
Gerade zum großen Bauherrn Amenophis III. passt ein großer Aton-Tempel mit einer Grundfläche von 730 x 229 m. Wer hätte dem jungen Echnaton nach dem Tod seines Vaters dazu raten können: seine Mutter Teje, ihr Bruder Aja? Gerade Aja ist später als Pharao nicht als großer Baumeister hervorgetreten; bekannt sind lediglich ein Totentempel in Theben-West, zwei Kapellen und sein Königsgrab im Kings Valley.
Der rasante Stilwechsel lässt sich nur dann erklären, wenn nicht ein Jüngling Neues tastend versucht, sondern ein erfahrenen Mann auftritt, der sich den Wechsel hin zum Gottesstaat bis ins Detail ausgedacht hat. Nachdem für die Kunstwerke von Amarna bestenfalls 12 Jahre bleiben, muss alles sehr schnell gegangen sein. Im Grab des Wesirs Ramose, Theben-West, fand der Wechsel direkt sichtbar statt:
„Obwohl große Flächen der Reliefdekoration im eleganten, formellen Stil des Senior-Königs ausgeführt sind, ist mit dem Tod die zügelnde Hand der Etikette verschwunden, und wir werden Zeugen, daß sich praktisch über Nacht der lockere und naturalistische Stil Amenophis’ IV., vollständig ausgeprägt, durchgesetzt hat. Und zwar nicht nur in der Darstellung des Königs und seiner Hauptgemahlin Nofretete, die – wie flüchtig skizziert – unter den schützenden, lebenspendenden Strahlen Atons im »Erscheinungsfenster« stehen, sondern auch in jener des unglücklichen Ramose selbst“ [Reeves, 115].
Es handelt sich allerdings nicht um das berühmte Erscheinungsfenster von Amarna, das damals noch nicht gebaut war, sondern um ein Fenster des Aton-Tempels von Karnak [Schlögl 2008, 33] – sonst hätte der Stil mindestens sechs Jahre Zeit zum Reifen gehabt.
Ein solch rapider Übergang ist von einem jungen Mann nicht zu erwarten, der sich bislang weder in Malerei, Plastik oder Architektur ausgedrückt hat. Dafür braucht es einen machtbewussten Mann, der zahllose Eindrücke zu einer neuen Vision verdichtet hat.
Auf jeden Fall ist der Wechsel allumfassend. So werden auch die ersten Inschriften in der neuen Residenzstadt – auf den Grenzstelen – erstmals auf Neuägyptisch, also in der Umgangssprache, nicht mehr in Mittelägyptisch geschrieben [Reeves, 127].
„Dies war – wie Burkhart Kroeber feststellt – der tiefste Einschnitt im Verlauf der ägyptischen Sprachgeschichte, eine Kulturrevolution von großer Tragweite, die alle Konventionen missachtete“ [Schlögl 2008, 57].
Außerdem wird die Verehrung vergöttlichter Tiere eingestellt – mit einer Ausnahme: Der Mnevis-Stier, Inkarnation des Schöpfergottes Atum [Reeves, 150], galt auch als „Sonnenstier“ [wiki / Mnevis] und wurde vielleicht deshalb von Heliopolis (griech. Mnevis) in den Nordpalast von Amarna gebracht. Dort am Gebirgsrand wurde auch sein Grab vorbereitet. Den Gott Atum hat Echnaton in Karnak am Beginn seiner Regierung in einer fragmentarisch überlieferten Rede noch angesprochen [Reeves, 160]. Völlig verändert haben sich auch die Jenseitsvorstellungen, die so wenig eine Rolle spielen wie der Totengott Osiris [Grimm, 117].
Dafür kann ein Rätsel geklärt werden, das Velikovsky beschäftigt hat. Aus Inschriften in Huyas Grab erfahren wir:
„Echnatons Vater, Amenophis III., war schon fast zwölf Jahre tot, und während ebenso vieler Jahre unterhielt seine Witwe noch einen Harem für den Verstorbenen, was kaum zu begreifen ist.“ [Velikovsky, 96]
Ist es ein Problem, dass Amenophis III. als kluger Diplomat das Kräftegleichgewicht zwischen den damaligen Mächten gut austarieren konnte, während Echnaton nicht als großer Diplomat gilt? Sicher nicht, denn wenn sich der Pharao ein religiöses Rückzugsgebiet in Amarna schuf, könnte direkt damit verbunden sein Interesse an diplomatischen Bemühungen erloschen sein. Als lebender Gott konnte er hier schalten und walten, ohne sich den aus dem Nahen Osten kommenden Ärgernisse auszusetzen. Er hat auch seine Frau Teje eingebunden:
„Alle Dekrete von Amenophis III. wurden nicht nur in seinem Namen, sondern auch dem seiner Gemahlin versehen. Auch dies stellt einen ungewöhnlichen Vorgang dar, der in der ägyptischen Geschichte bisher nicht vorkam. Des Weiteren gibt es eine Reihe von außergewöhnlichen Darstellungen dieser Königin in Form von Statuen und Reliefs. Eine Figur zeigt sie als die Göttin Taweret (Thoeris). Durch die Amarna-Briefe wird außerdem deutlich, dass Teje wie keine Königsgemahlin vor ihr in alle diplomatischen Vorgänge eingeweiht war, sowie starken aktiven Anteil an der Politik nahm und sogar selbsttätig mit befreundeten Herrschern korrespondieren konnte (EA 26).“ [wiki / Teje]
Eine ähnlich starke Rolle hat in Amarna auch Nofretete erhalten. Dort scheint anfangs das Matriarchat zu dominieren. So entstehen in Karnak als erstes Tempel(an)bauten, die ausschließlich Nofretete gewidmet sind. Sie wird als allein Opfernde gezeigt, als erste unter den Strahlenhänden Atons [M.1: 182]. Bis Amarna wird sie doppelt so oft abgebildet als ihr Mann [M.1: 185]. Auch der berühmt-berüchtigte scheinbar geschlechtslose Koloss vom nackten Echnaton erweist sich bei näherem Hinsehen als eine Statue von Nofretete [M.1: 191 f.; Reeves, 190], bei der ihr Gesicht ähnlich verzerrt worden ist wie sonst das ihres Gatten, aber die Konturen erkennbar bleiben.
Doch dann steht auf einer der früh gestalteten Grenzstelen für Amarna: „Auch soll die Königin nicht zu mir sagen: ›Sieh doch, es gibt einen schönen Ort für Achetaton an einer anderen Stelle.‹ Ich würde nicht auf sie hören“ [M.1: 211]. (Nun wäre zu fragen, ob das vielleicht auf Teje bezogen war.) Später wird Nofretete immer wieder als Pharaonin gezeigt, geschmückt mit der Uräus-Schlange des Potentaten. Abbildungen demonstrieren, dass sie wie ein Pharao Feinde nieder- oder auch erschlägt. Dazu werden ausgerechnet Feindinnen ins Bild gesetzt [M.2: 47] – eine seltsame ‘Arbeitsteilung’ für den Pharao und sein Weib. Wenn der Herrscher aber schon 38 Regierungsjahre hinter sich und Bauten ohne Ende zur Ehre der Götter wie seiner eigenen Person errichtet hat, dann ist er seiner neuen Gattin die anfänglich eigenen Auftritte gewissermaßen schuldig. Auf jeden Fall war Nofretete gleichwertige Königspartnerin [etwa M.2:, 113], so wie es auch Teje war. Hinweise auf ein aufblühendes oder auch abschwellendes Matriarchat sind daraus nicht zu gewinnen.
Einen Kritikpunkt könnten die familiären Verflechtungen bergen, die Vater wie Sohn umfassen. Ihnen vorauszuschicken ist, dass viele Bezüge nach wie vor unklar sind, zumal seitdem die aDNA-Untersuchungen Verwandtschaftsverhältnisse fordern, die schwer mit dem bisherigen Wissen zu vereinigen sind.
Die Großfamilie von Amenophis III.
Eltern: Thutmosis IV. und Mutemwia;
Frauen: Teje, Kiluchepa (Tochter von Šutarna II.), Taduchepa (Tochter von Tušratta), seine Tochter Satamun (ab dem 1. Sed-Fest im 30. Reg.jahr) und ebenso Isis (nach dem Tod der Mutter, nach dem 32. Reg.jahr); Haremsdamen sind nicht namentlich bekannt.
Geschwister (6): Amenemhet, Amenhotep-Meri-chepesch, Tiaa, Amenemipet, Tent-Amun und Petepihu;
Kinder (von Teje): Amenophis (IV.), Satamun, Thutmosis, Baketaton (?);
Kinder von anderen Frauen: Iset, Henuttaunebu, Nebet-tah.
Amenophis III. war ein sehr selbständiger Charakter, folgte aber in manchen Aspekten seinem Vater. Möglicherweise heiratete auch er mit Teje die Tochter eines Beamtenehepaars, also eine Bürgerliche [M.1: 176], allerdings kann Maciejewski diese Behauptung nicht untermauern. In religiösen Belangen griff er den Sonnenkult der 5. Dynastie (!) auf, baute einen Sonnentempel in Heliopolis und stärkte Aton, um der Macht der Amun-Priester von Memphis entgegenzuwirken. Manche Götterstatuen erhielten seine Gesichtszüge, was in Richtung Selbstvergottung weist. Das weibliche Prinzip bei Göttern und Familie war ihm wichtig, verehrte er doch mit Maat die Tochter des Sonnengottes. Den Titel „Große Königliche Gemahlin“ erhielten Mutter, Ehegattin und Tochter-Gemahlin Satamun (Sitamun). Gemäß dem Hathor-Mythos – sie war Mutter, Gemahlin und Tochter von Re – ging es auch Amenophis III. um drei weibliche Generationen, wie man an den stark zerstörten Nebenfiguren seiner Memnonskolosse abzulesen glaubt [M.1: 85]. Bei Tod seiner Mutter ging deren Titel auf die Tochter-Gemahlin Isis über.
Echnatons Familienbande
Eltern: Amenophis III. und Teje;
Frauen: Nofretete und Kija, dazu Teje;
Geschwister (6): Thutmosis (früh verstorbener Bruder), Satamun, Iset, Henuttaunebu, Nebet-tah und vielleicht Baketaton [vgl. M.2: 96];
Kinder mit Nofretete: 1. Meritaton, 2. Maketaton, 3. Anchesenpaaton,4-6: Neferneferuatontascherit, Neferneferure, Setpenre;
Kinder, fragliche: Semenchkare, Tutanchaton, Baketaton. Semenchkare wird von einigen Ägyptologen mit Nofretete gleichgesetzt [Quelle auch alt- ägypten]; für andere stammt er von Amenophis III. [M.2: 133]. Tutanchaton war bei seinem Regierungsantritt 8 Jahre alt und verlässt Amarna mit 10 [M.1: 160]. Baketaton scheint von Teje zu stammen, ohne dass dies präzisiert werden könnte [M.1: 99]; als Vater scheint Echnaton festzustehen [M.2: 85]. Aldred lässt die Kinder nicht von Echnaton, sondern von Amenophis III. stammen [M.1: 100].
Enkel-Kinder: Es gibt zwei Mädchen aus Echnatons Tochterehen: Meritaton-tascherit und Anchesenpaaton-tascherit [M.2: 83].
Weitere Auswirkungen
Im Wesentlichen verliert der Psychoanalytiker an Brot. Denn vieles, das ihn an Amarna fasziniert, erledigt sich gewissermaßen ersatzlos. Denken wir daran, dass Immanuel Velikovsky eine faszinierende Zusammenschau des Amarna-Geschehens und der Mythen um Theben – im Zentrum Ödipus – geleistet hat: Ödipus, der seinen ihm unbekannten Vater erschlägt und die ihm unbekannte Mutter heiratet. Freud müssen wir außen vor lassen, denn er hat die Grundbedingung – Ödipus kennt seine Eltern nicht – schlichtweg ignoriert, als er seinen „Ödipus-Komplex“ schuf, bei dem sich der Sohn gegen seinen nur allzu gut bekannten Vater auflehnt, um die real geliebte Mutter zu gewinnen. Seine Beobachtung war ebenso richtig wie die Benennung falsch; aber das so gewonnene Etikett kennt alle Welt. Für Velikovsky [62] war es wichtig, dass sich der spätere Echnaton zwar gegen seinen eigenen Vater auflehnt, aber ihn nicht kennt, weil er abseits des Hofs aufwächst und erst nach dessen Tod in Malkatta eintrifft. Das gilt ebenso für Teje, die ihm freilich als Mutter bekannt war.
Der psychoanalytisch ausgebildete Maciejewski weiß darum und benennt das letzte Kapitel seines Buches sogar mit „Ödipus in Amarna?“ [M.1: 295-312], ohne hier Velikovsky auch nur zu erwähnen (Freud nur ganz beiläufig), wie er auch seine eigene Frage nicht beantwortet. Dabei macht er zu Anfang seines Buches eine klare Aussage, die ebenso klar von Velikovsky stammt:
„Nicht in der Gestalt des biblischen Moses, sondern in König Ödipus könnte sich eine verschobene Erinnerung an König Echnaton erhalten haben“ [M.1, 30].
So führt er dessen einschlägiges Buch in seiner Literaturliste, bezieht ihn aber nicht ein. Stefan Diebitz [262] hat den dort vertretenen psychoanalytischen Ansatz hart kritisiert; er rügte auch dieses Verhalten:
„Mit einem Velikovsky wird dieser Autor leider sehr schnell fertig, so schnell, dass es erst gar nicht zu einer sachlichen Auseinandersetzung kommt. Nicht in dem Kapitel über Ödipus, wo er eigentlich auf ihn hätte eingehen und vielleicht auch gegen ihn argumentieren können, sondern ganz am Anfang seines Buches, versteckt in einer Endnote, stellt er ihn ohne großes Aufhebens ins Abseits: Velikovskys »phantasievolle Geschichtsrekonstruktion stellt keine seriöse Position dar und bleibt deshalb von der späteren Debatte ausgeschlossen.« [Maciejewski, 314]“
Dabei führt er sogar „den »Schwellfuß« des Echnaton“ [M.1: 301 f.] an, also die bei Darstellungen ‘aufgequollenen’ Oberschenkel im Kontrast zu lächerlich dünnen Unterschenkeln. Velikovsky [56-60] hat ihn als wichtigen Bezug zu Ödipus, dem „Schwellfuß“ auf Griechisch, in die Debatte eingebracht.
Nun also verflüchtigt sich all das, was Velikovsky herausgearbeitet hat: Echnaton bringt nicht seinen Vater um, sondern er schließt mit seiner früheren Existenz als Amun-Gläubiger ab, indem er den Gottes-, nicht den Vaternamen tilgen lässt. Außerdem heiratet er nicht seine Mutter, sondern bleibt bei seiner Gemahlin Teje. Alle die scheinbar so präzis belegten Ähnlichkeiten mit dem griechischen Mythos zerfallen: kein ägyptischer Laios, Kreon oder Teiresias, keine Iokaste, Antigone oder Ismene, kein Brüderpaar Eteokles und Polyneikes. Es ist schade um sein spannendes Buch. Doch es war von Anfang tendenziös: Der Autor duldete nicht, dass Freud Moses zum Ägypter machte und Echnaton zum Begründer des Monotheismus [Velikovsky, 234 f.] – so stülpte er die Chronologie um und setzte Moses zeitlich vor Echnaton [ebd. 73].
Maciejewski greift auch Velikovskys Gedanken über Kataklysmen auf – „Die Götter bedienen sich typischerweise einer Naturkatastrophe“ [M1. 41], weil er unbedingt die Pest nach Ägypten holen möchte, um mit ihr die vielen Todesfälle in der königlichen Familie zu erklären [M1. 41-45, 49 f., 53]. Dabei war im selben Amarna eine riesige Arbeiter- und Künstlerschar dabei, in jahrelanger Arbeit die neue Residenzstadt zu errichten. Das wäre sicher nicht binnen dreier Jahre passiert, wenn dort die Pest gewütet hätte.
Inzeste
Unser ‘Doppelpharao’ heiratet mit dem Übergang hin zur Aton-Religion Nofretete. Erweitert sich sein Harem um sie? Dort finden sich u.a. zwei Töchter aus dem mitannischen Königshaus: Kiluchepa und Taduchepa, außerdem seine eigenen Töchter Satamun und Isis (Iset). Er war es, der – vielleicht unter östlichem Einfluss – die Töchterehe, also den Vater-Tochter-Inzest in Ägypten eingeführt hat. Und es gibt Teje.
„Auf die Missachtung durch den Vater folgte der Missbrauch durch die Mutter […] Tejes neuer Politikentwurf ähnelt dem ihres verstorbenen Gatten darin, dass sie ebenso bedenkenlos den Sexus in den Dienst der Macht stellt“ [M.1: 203].
Während der Psychoanalytiker ‘natürlich’ den Sexus auf den Schild hebt, erkennt er bei den Ägyptologen „Gräuel“ vor blutschänderischen Beziehungen:
„Während der Bruder/Schwester-Inzest als kulturtypisches, wenngleich fremdes Moment diskursfähig ist, bereitet der Vater/Tochter-Inzest den meisten schon erhebliches Kopfzerbrechen. Der Mutter/Sohn-Inzest ist Anathema und wird vollends mit Schweigen übergangen“ [M.1: 100].
Dieses Verdikt könnte auch den Verfasser treffen, weil seine These den amarnischen Mutter/Sohn-Inzest aus der Welt schafft. Wenn im Übrigen Aldred für alle Amarna-Prinzessinnen den gemeinsamen Vater Amenophis III. imaginiert, so wird er für diese „bizarre Phantasmagorie“ [M.1: 100] durch die hier vertretene These gewissermaßen gerechtfertigt. Für Maciejewski [1: 120] geht es um folgende Inzestverbindungen:
Vater/Tochter-Inzest: Echnaton mit Meritaton, mit Maketaton und Anchesenpaaton. Die erste und dritte Beziehung habe zu den Nachkommen Meritaton-tascherit und Ancesenpaaton-tascherit geführt.
Bruder/Schwester-Inzest: Echnaton mit Satamun/Kija; daraus vielleicht Tutanchaton/Tutanchamun.
Mutter/Sohn-Inzest: Echnaton mit Teje; daraus vielleicht Baketaton.
Die jüngste Arbeit von Otto Ernst [2014] setzt Nofretete mit Satamun gleich. Erweist sich diese These als haltbar, so hätte sich der königliche Harem durch die hier vorgeschlagene Identsetzung von Amenophis III. und IV. nicht erweitert. Diese Erkenntnis könnte die DNA-Untersuchungen erleichtern, die ja ständig Verwandtschaftsverhältnisse zwischen fast allen in Amarna Lebenden feststellen. Nun wäre Nofretete definitiv keine mitannische und keine ägäische Prinzessin, sondern Amenophis’ III. eigene Tochter, ein weiterer Vater/Tochter-Inzest.
Abschied genommen werden kann von einer seltsamen Motivierung Maciejewskis: Sein mit Kraft vorangetriebener Versuch, ein (bürgerliches) Haus Juja und Tuja zu konstruieren, das mit seinen Frauen in drei Generatio nen – Mutemwia, Teje und Nofretete – fast eine Paralleldynastie gebildet hätte, wirkt allzu forciert. Er sieht Teje und Aja als Begründer des Aton-Glaubens [M.1: 167] und ist überzeugt, dass die Handschrift Teje’s und Aja’s an den ersten Aton-Heiligtümern erkennbar sei [M.1: 27, 257]. Dieser Schluss wäre vielleicht richtig, so Amenophis III. tatsächlich dahinscheidet und seine Witwe den jungen, späteren Echnaton bevormundet. Dem hat bereits Jan Assmann widersprochen:
„Teje, die Frau von Amenophis III., ist die einzige Königin, deren Eltern in einer Quelle einmal erwähnt werden. Sonst wird die Herkunftsfamilie der Königinnen auf den höfischen Denkmälern nicht genannt. Ob Nofretete oder Mutemwia (Gattin von Thutmosis IV.) aus derselben Familie, dem ‹Haus Juja› stammen, ist vollkommen offen“ [Habicht 2012, 26]
Lebt jedoch der Pharao weiter, gehen alle Einfälle zur Aton-Religion und zur Gleichrangigkeit eines gottgleichen Königspaares auf sein eigenes Konto. Es wäre auch überraschend, wenn Menschen bürgerlicher Herkunft dem Pharao eine gottgleiche Position schaffen wollten. Sollte es wirklich Tejes Idee gewesen sein, den verstorbenen Pharao im 4. Reg.jahr Echnatons unter die Götter zu versetzen: „Es ist das vierte und abschließend Jubiläumsfest der »strahlenden Sonne«, Aton und Amenophis III. sind ein und derselbe geworden“ [M.1: 205]. Diese Apotheose hat sich Amenophis III. viel eher selbst gegönnt. Dass Teje ihre Ausnahmestellung als Erbprinzessin behält [M.1: 102], ist nun noch selbstverständlicher. Psychologisch problematisch wäre es, wenn das Folgende Realität gewesen wäre:
„So gesehen sieht es so aus, als habe sich das fügsame Kind Amenophis [beim in Karnak in Szene gesetzten Sonnenkult] ein letztes Mal dem elterlichen Willen unterworfen. Doch die Medaille hat eine Kehrseite. Zwar stimmt es, dass Amenophis wie selbstverständlich in das von Teje (und Eje [= Aja]; HI) aufgeschlagene Seil einspringt; aber schon nach kurzer Zeit bestimmt er das Tempo und verschiebt mit einer Drehung unversehens die Achse des Spiels. […] Im Kokon des Vaterkomplexes ist ein Gotteskomplex herangereift, der es erlaubt, die unerträgliche Ambivalenz der Gefühle aufzuspalten und abzuführen“ [M.1: 206].
Ein ganz erstaunlicher Junge, wenn er tatsächlich schon mit ca. 14 Jahren – so die Kalkulation Maciejewskis – die Fesseln der Mutter mit leichter Hand abstreift und sich vergottet. Zudem will er sich dafür eine eigene Stadt bauen, von der ihm bereits alle Sakralbauten klar vor Augen stehen. Mit Verlaub: In dieser Situation würde auch ein aufgeweckter Knabe mit hoher Wahrscheinlichkeit noch mutterhörig bleiben, während ein 50-Jähriger weiß, um was es ihm geht, mitsamt den Feinheiten bei Bildung der Titulaturen für seinen Gott Aton, bei der Wandlung des Pharaos zum lebenden Gott und von Gott Aton zu einem göttlichen Pharao, der wiederum seine Gemahlin auf die gemein same göttliche Ebene hebt [Schlögl 2012, 52]. Diese Konstruktionen werden in Amarna unentwegt überdacht und mehrmals abgeändert – all das spricht gegen einen Jüngling, wie es auch gegen seine Mutter spräche.
Weiter sieht Maciejewski Echnaton auch unterm Pantoffel von Nofretete, da sie etwa um zwei Jahre älter ist [M.2: 53]. Doch auch das wäre noch viel zu jung, pocht doch Maciejewski auf ein Krönungsalter Echnatons von höchstens 12 Jahren. Ein 12- bis 14-jähriger Backfisch hätte sich nicht gegen Teje durchgesetzt, bei einem 50-jähriger Pharao wäre das weniger die Frage. Doch gleich darauf dominiert wieder der Pharaonenknabe, der „dem coup d’Etat der Jujakönigin rücksichtslos in die Parade fährt“ [M.2: 58] und – wie das so Teenagerart ist – einen Gottesstaat gründet [ebd.]. Diese Konstruktionen sind nicht haltbar.
Ergänzungen
Zu Tejes Rolle bei Hofe
Im Leben bleibt für den Pharao die Große Königliche Gemahlin Teje die auch zeitlich erste Frau. Deshalb lässt er sich mit ihr „Seite an Seite wie ein Ehepaar in Amarna bestatten [M.1: 159] – wohlgemerkt nicht in Theben-West, sondern in Amarna. Aber es geht nicht um die „Muttergattin der jugendlichen Gotteserscheinung des Aton“ [ebd.], sondern um die Gemahlin. Teje ist nach üblicher Rechnung 60 Jahre alt geworden; danach fanden sich lange keine Lebensspuren von Nofretete mehr, so dass die Spekulationen ins Kraut schossen: Sie sie gestorben oder in Ungnade gefallen oder habe sich zurückgezogen.
Wie lang lebte Nofretete?
Es gibt mittlerweile zwei weitere Hinweise, den ersten aus dem 14. Reg.jahr Echnatons:
„Das nächste Zeichen über ihren Verbleib befindet sich auf einem beschriebenen Bruchstück eines Sarkophages, welcher zerschlagen im Königsgrab von Amarna (Nr. 26) gefunden wurde. Darauf ist Echnaton zusammen mit Nofretete abgebildet, wie sie gemeinsam um Teje trauern“ [wiki / Teje].
Vor zwei Jahren ist ein weiterer Fund bekannt geworden [wiki / Nofretete]:
„Wissenschaftler der niederländischen Katholischen Universität Leuven in Belgien gaben im Dezember 2012 zur Ausstellungseröffnung »Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der Nofretete« bekannt, dass sie zu Jahresbeginn in einem Steinbruch nahe Achet-Aton eine Inschrift entdeckt haben, die sowohl Nofretete als auch Echnaton in dessen 16. Regierungs jahr (»Jahr 16, 3. Monat, Tag 15«) nennt. Der Steinbruch »Deir Abu Hinnis« diente zu Echnatons Regierungszeit als Hauptlieferort von Material für seine neue Hauptstadt Achet-Aton. [Bartetzko] Damit entzieht diese Entdeckung allen bisherigen Hypothesen und Spekulationen die Grundlage über den Verbleib der Königin nach dem 12. beziehungsweise 14. Regierungsjahr Echnatons.“ [Hvhg. HI]
Die Sonne wie ein Rennwagen?
Echnaton wird unterstellt, mit pfeilschnell auf der Königsstraße Amarnas dahinrasendem ‘Sportwagen’ den Sonnen-Wagen zu imitieren [M.1: 130, 208, 307; Schlögl 2008, 56]. Ganz im Gegenteil müsste erwartet werden, dass er sich gemächlich fortbewegt, nachdem sich auch die Sonne nur mählich, nicht pfeilschnell wie eine Sternschnuppe am Himmel bewegt. Insofern scheint die Annahme, „das allgegenwärtige Tempo [signalisiere] den Anbruch einer neuen Zeit“ [M.1: 208], eher dem 20./21. Jh. als der Antike abgewonnen zu sein. Oder stammt es doch aus uralter Zeit, wenn Echnaton zu seinem Gott sagt: „Eile ist in jedem Fuß, seit du die Erde gegründet hast“ [Reeves, 164]?
Schädeldeformation
Seltsamerweise sind immer wieder Ägyptologen geneigt, Echnaton wegen seiner Abbildung als einen deformierten Menschen zu sehen; vorgeschlagen werden etwa das Fröhlich- oder das Marfan-Syndrom [M.1: 26], dessen über 25 Symptome alle auf Echnaton zutreffen sollen [Reeves, 173], sofern er im Leben so ausgesehen hätte, wie er sich darstellen ließ. Diese Annahmen sind einigermaßen unverständlich, gibt es doch von Echnaton auch Darstellungen, insbesondere Plastiken, die ihn als ganz normalen, in keiner Weise missgestalteten Menschen zeigen, wie auch die ihm zugeschriebene Mumie keine anatomischen Auffälligkeiten zeigt [M.2: 122]. Insofern ist gerade die Echnaton-Fratze der frühen Amarna-Zeit eine unbedingt gewollte Darstellungsform. Das sehen die Ägyptologen im Grunde auch so, denn keiner nimmt daran Anstoß, dass dieses erschreckende Gesicht nach ihrer eigenen Datierung das eines Jünglings oder gar eines Kindes sein soll.
Nicht thematisiert wird hingegen in den jüngsten Büchern von Maciejewski, Reeves und Schlögl eine gewollte Schädeldeformation. Doch nichts liegt näher. Die Schädel der Amarna-Kinder dürften wegen eines immer wieder auftretenden Schönheitsideals beidseits des Atlantiks – eine griechische, also in gerader Linie zur Stirn ziehende Nase, die Stirn keineswegs nach gängigem ‘Kindchenschema’ senkrecht, sondern in weiterführender Linie flach nach hinten laufend, der Hinterkopf dadurch abnorm wirkend – mit voller Absicht im Säuglingsalter deformiert worden sein. Als Beispiel dient hier ein Schädel von der Krim [Abb. bei wiki / Schädeldeformation], der vom Aussehen her unmittelbar aus Amarna stammen könnte, aber im 19. Jh. fälschlich den Awaren zugeschrieben worden ist. Tatsächlich stammt er wohl aus der Zeit vor dem +7. Jh., als dieser Brauch von den Hunnen in den Westen gebracht worden ist und zeitweilig bei Franken, Goten, Bajuwaren und Burgundern im Schwange war. Diese übertriebenen Hinterköpfe treten denn auch nur bei den Schädeln der Echnaton-Töchter auf. Kann deshalb der hier gezeigte Echnaton-Schädel tatsächlich von ihm stammen, da es doch er gewesen sein müsste, der in Verbindung mit dem Religionswechsel auch ein neues Schönheitsideal durchsetzte?
Renate Germer stellt bei ihrer Abhandlung zur Mumie aus KV 55 fest: „Es lag auch keine Verformung des Schädels, etwa durch Einschnürung im Kindesalter, vor“ [Grimm/Schoske, 60]. Und selbst wenn es der Schädel von Amenophis III./Echnaton wäre: Erst von ihm ab wurde der mutmaßliche Brauch geübt. Derartige Bräuche ließen sich als Übernahmen aus dem Osten sehen, genauso wie die Inzestbezüge im Herrscherhaus oder die Streitwagen.
Monotheismus – Monolatrie (Henotheismus)
Grob gesprochen wird im Monotheismus nur ein Gott gekannt und verehrt, während bei Monolatrie mehrere Götter akzeptiert werden, aber nur einer (an einem Ort) verehrt wird. Da mittlerweile bekannt ist, dass Echnaton primär den Gott Amun verfolgte, aber andere Heiligtümer unweit von Amarna ungehindert betrieben werden konnten, geht die ägyptologische Meinung heute in Richtung Monolatrie. Schlögl hält auch hier dagegen, sieht er doch weiterhin einen Monotheismus, nicht zuletzt auch deshalb:
„An ihren Anfängen steht immer ein Stifter – sei es Echnaton, Mose, Zarathustra, Jesus oder Mohammed“ [Schlögl 2008, 61]
Interessanterweise ist Echnatons Religion in Ägypten nicht die erste ihrer Art.
15. Dyn.: Die Hyksos mit ihrer Seth-Verehrung könnten auch schon monolatrisch veranlagt gewesen sein; insbesondere Apophis lässt nur Seth gelten [M.1: 54, auch 248], auch wenn das im gleichen Atemzug dementiert wird.
17. Dyn.: Sein Gegenspieler Sekenenre verehrt nur Amun-Re [M.1: 246]. Somit gab es Vorbilder für den Aton-Kult.
Gottesstaat (Theokratie)
Maciejewski [1: 168; 2: 58] sieht nicht in der ausschließlichen Verehrung des Aton das Wesentliche der Echnaton-Zeit, sondern in der Errichtung eines Gottesstaates, möglicherweise begrenzt auf die 25 km² von Achet-Aton (heute Amarna). Die Bedingungen wie religiös legitimierte Staatsgewalt oder die ‘Exekutive’ in Gestalt eines von Gott erwählten Priesters oder Königs sind erfüllt. Aus dem Pharao wird der erste Prophet und dann Hoher Priester des Aton [M.1, 219], also eine reine Theokratie [M.1, 218 f.].
250 Jahre später errichtet der Hohe Priester Herihor zwischen 20. und 21. Dyn., wohl zur Zeit von Ramses XI., in Theben einen Gottesstaat des Amun [M.1: 28], in dem dieser Gott während der 21. Dyn. als der „einzige wirkliche König Ägyptens“ auftrat [Reeves, 221]. Eduard Meyer hielt diesen Gottesstaat sogar für „theoretisch monotheistisch“ [M.1: 262]. Herihor bezeichnete sich als ersten Propheten des Amun und ließ den Namen des Amun in (Pharaonen-)Kartuschen schreiben [M.1: 220]. Somit hat Amun über Aton gesiegt.
Als dritten bezeugten Gottesstaat sieht Maciejewski [1: 270] den judäischen des -5. Jh.
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Dr. Heribert Illig (mantisillig@gmx.de)